Blautopf – Kärtchen für mehr Transparenz

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Von dem hatten sie mehr erwartet

Von dem hatten sie mehr erwartet Stefan Röhl in Wikipedia

Seit der Sprengung der Nord Stream Pipelines müsste eigentlich klar sein, die deutsche Energiepolitik wird nicht in Berlin gemacht. Die Debatte nach dem Abschuss des grünen Energie-Staatssekretärs, Patrick Graichen, zeigt, die Energiewendebewegung hat nicht verstanden, was gespielt wird.

Tonangebend sind nicht mehr die traditionellen Solarorganisationen, die für kostengünstige, bürgernahe und demokratische Energieerzeugung kämpfen. Es sind andere, die den Gang der Dinge bestimmen. Inzwischen scheint der Finanzexperte Philipp Nimmermann als Nachfolger ausgekuckt worden zu sein.

Die sogenannte Trauzeugenaffäre um Patrick Graichen wurde bilderbuchmäßig aufgezogen. Familiäre Verfilzungen und Beziehungen wurden scheibchenweise ans Licht der Öffentlichkeit gebracht, so wie man das schon viele  Male hierzulande erlebt hat. Am Ende blieb Wirtschafts- und Energieminister Habeck, der natürlich von nichts wusste, keine andere Wahl, als den einst zum „Mastermind der Energiewende“ hochgejubelten Staatssekretär rauszuwerfen. Schließlich will Habeck nicht selbst unter die Räder kommen. Graichen habe gegen die Compliance Regeln, also gegen den Anstand im Regierungsgeschäft, verstoßen. So etwas gehe im sauberen parlamentarischen System der Bundesrepublik gar nicht. Damit war die Affaire zum moralischen Regelverstoß herabgestuft, ihrer politischen Dimension beraubt und Graichen zum schwarzen Peter gestempelt.

Die Pressemeute und die klimabewegten Weggefährten stimmten, mehr oder weniger zähneknirschend in den Chor der Ahnungslosen ein. Sie akzeptieren die Spielregeln des medialen Volksbetrugs. Vor allem sticht der Selbstbetrug der Energiewendefreunde ins Auge. Wenn es politisch kontrovers wird, haben sie sich schon immer auf das Faszinosum Technik zurückgezogen. Die Botschaft vom Sturz Graichens ist aber eine andere, selbst wenn die Aktivisten – vom einfachen Solarenthusiasten bis zum Klimakleber – dies nicht glauben wollen. Obgleich die anfängliche Euphorie darüber, dass es mit Solar und Wind jetzt endlich losgehen könne, merklich nachgelassen hat, fühlt man sich immer noch als Teil einer gemeinsamen Solar- und Klimacommunity, gewissermaßen einer in Jahrzehnten gewachsenen Schicksalsgemeinschaft. Schließlich war man gemeinsam lange Jahre von den Merkel-Regierungen an den Katzentisch verbannt und verarscht worden.

Da fällt es schwer sich von liebgewordenen Denkmustern zu verabschieden. Die angebliche Klimakrise ist ein in Jahrzehnten systematisch aufgebauter Fake, der den frustrierten Solarfreunden eine neue, vielversprechende Argumentation zu bieten schien. Das Postulat der Nachhaltigkeit passt zur kapitalistischen Produktionsweise wie der Faust aufs Gretchen. Gemerkt hat man von Nachhaltigkeit noch nichts. Im Gegenteil. Die Klimakrise ist der Nebelschleier vor der ökologischen, ökonomischen und menschlichen Krise des Kapitalismus, der Mensch und Natur zerstört, nicht nur das Klima. Das monokausale Narrativ vom drohenden, ja tödlichen Temperaturanstieg und dem Hauptschuldigen CO2 soll die Menschheit, durchdrungen von Angst, hinter die Führung der herrschenden Oligarchie zusammenbringen und sie gefügig machen. Sogar von neuer Freiheit wird gefaselt.

Die westliche Finanzoligarchie hat längst die wichtigsten Organisationen gekapert und dort das Narrativ von der Bedrohung durch die Klimakrise durchgesetzt. In der „grünen Transformation“ sehen sie einen ökonomischen Jackpot, den sie knacken wollen, um die Krise ihrer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu überwinden. Gewissermaßen eine Art Neuanfang nach Denkart des World Economic Forum (WEF), einen politischen Bruder der Pandemiepolitik, mit etwas anderen Mitteln, aber ergänzend. Die Profitaussichten sind nach Angaben von BlackRock riesig. Dieser weltweit größte Vermögensverwalter beziffert den Investitionsbedarf zur Realisierung von deren Klimazielen auf weltweit 50 bis 100 Billionen Euro. Der Schachzug mit der grünen Transformation wird als historisch einmalige Anlagemöglichkeit gesehen und zugleich als die größte Vermögensumverteilung aller Zeiten.

Die veränderte Begründung einer Energiewende schien für viele der führenden Aktivisten, ob bewusst oder unbewusst mag dahingestellt bleiben, eine Chance, den Traum von der Solar- und Windenergie doch noch realisieren zu können. Viele haben die Fronten gewechselt, allen voran die Grünen und das sogar als Partei. Agora Energiewende, deren Chef Graichen vor seiner Berufung zum Staatssekretär gewesen war, hat allerdings eine andere Geschichte. Gegründet wurde sie von Hal Harvey, einem weltweit agierenden Lobbyisten mit Geldern der Hewlett Foundation. Agora gehörte von Anfang an zu einem Netzwerk von Plattformen, Stiftungen, Denkfabriken und Lobby-Organisationen, die von Milliardären bzw.  direkt oder indirekt der globalen Finanzindustrie finanziert werden. Dazu gehören unter anderen Stiftungen wie die Climate Works Foundation, die European Climate Foundation, die Climate Imperative Foundation und die Stiftung Klimaneutralität.

Vor diesem Hintergrund scheint die Geschichte von der Trauzeugenaffaire nachgerade albern. Es liegt auf der Hand, die Regisseure der "grünen Transformation" waren mit der Arbeit des grünen Spitzenpersonals höchst unzufrieden. Das lässt sich an drei Themen festmachen. Diese sind Elektromobilität, Atomkraft und Wärmewende. Dass die Elektromobilität in Deutschland bisher nicht zum Renner geworden ist, scheint unbestreitbar. Es droht aus Sicht der Finanzindustrie und der westlichen Kapitalverwalter die Gefahr, dass dies zur ausschließlichen Domäne der Chinesen werden könnte. Und mit denen wollen die US-Neokonservativen ja Krieg machen. Also kein Heimspiel für BlackRock und Co. In Sachen Atomenergie sind die Grünen als Partei immer noch auf Anti-AKW-Kurs und haben sich von der wachsenden Zustimmung in anderen Ländern regelrecht abgekoppelt. Man könnte es auch so ausdrücken: dafür hatte man das Duo Habeck-Graichen nicht ins Ministerium gehievt.

Bleibt als drittes die komplette Umschichtung des Heizungswesens und der Wärmeerzeugung in Deutschland, Europa, ja global. Am Verlauf der Diskussionen über Wärmepumpen und Ausgleichszahlungen für betroffene Bürger, also dem Streit um das Gebäudeenergiegesetz (GEG), wurde deutlich, dass die Grünen noch immer im Klein-Klein gewohnter Energiewendediskussionen der vergangenen Jahrzehnte verhaftet sind und ganz und gar nicht im Sinne ihrer Auftraggeber denken und handeln. Im Koalitionsstreit um das GEG sieht Kanzler Olaf Scholz ein „ganz normales parlamentarisches Verfahren" und will an den bisherigen Plänen zum Austausch alter Öl- und Gasheizungen nichts ändern. Von "grüner Transformation" ist da nichts zu spüren. Alleine der Verkauf des traditionsreichen Heizungsbauers Viessmann vor einigen Wochen ließ den Rahmen erahnen, um den es global geht. Aber dafür konnten die Regierungsgrünen nichts und der abgehalfterte Patrick Graichen schon gar nicht.

Im Hintergrund dürfte längst das Personalkarussell angelaufen sein. Man kann davon ausgehen dass die bisher genannten Namen sicher nicht zum Zuge kommen werden. Und wenn inzwischen von "hochkarätigen Namen" aus der Energiewirtschaft gemunkelt wird, müssen diese nicht unbedingt grüne Parteimitglieder sein. Das scheint bei der aktuell gemeldeten Personalie Philipp Nimmermann aber der Fall zu sein. Was darüber hinaus klar sein dürfte, ist die Tatsache, dass sich Grundlegendes beim Thema Energie verändern soll. Das will das große Kapital im Hintergrund. Die "grüne Transformation" wird erneuerbare Energien nicht mehr im Vordergrund dulden. Auch die Solarorganisationen als wichtige gesellschaftliche Akteure dürften zurechtgestutzt werden und sollen an Akzeptanz verlieren. Das Verständnis der Energiewende als mittelständischem Investitionsprojekt dürfte zur Disposition gestellt werden, vielleicht sogar vor dem Aus stehen. Die Solarfreunde werden sich warm anziehen müssen.

Verweis:
Philipp Nimmermann soll Graichen-Nachfolger werden

 


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