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Bargeld abschaffen jetzt gesellschaftsfähig

Bargeld abschaffen jetzt gesellschaftsfähig Hansjörg Stützle

In seinem Newsletter vom 20.01.2024 bittet der Wirtschafts- und Finanzexperte Hansjörg Stützle diesen Artikel von Hakon von Holst in unserem Umfeld zu verbreiten.

Seinem Wunsch folge ich gerne, denn auch mir ist der Bargelderhalt ein wichtiges Anliegen, für das ich leider bis jetzt keine Kapazität hatte. Danke an Brigitte B. für diesen Hinweis!

Bargeld abschaffen jetzt gesellschaftsfähig

Der deutsche Elektronikhändler Gravis verabschiedete sich unlängst von Banknoten und Münzen. Nun begibt sich eine Schweizer Gastronomie-Kette auf denselben Weg. Bei genauem Blick auf diese Beispiele zeigt sich eine beunruhigende Parallele.

Mit Gravis lehnt erstmals eine Einzelhandelskette Bargeld ab. Der Umstieg erfolgte zum 16. Januar 2023. Seither akzeptiert der deutsche Elektronikhändler in seinen 40 Filialen nur digitale Zahlungsmittel.

Auch die Schweiz hat jetzt ihre Blaupause. »Ein Abendessen mit der Affäre ist bei uns heikler geworden«, zitiert das Boulevard-Blatt Blick in der Titelzeile: Jörn Haupt leitet in Zürich eines von 35 Restaurants der Gastronomiekette Wiesner – neuerdings ohne Bargeld. Vor der Umstellung »kündigten ein paar Stammgäste an, nicht mehr vorbeizukommen«, sagt Haupt. Doch auch nach dem 11. Dezember 2023 würden sie das Restaurant weiterhin gerne besuchen. Bargeld abschaffen ist jetzt also gesellschaftsfähig.

Unternehmensleiter Manuel Wiesner war bereits 2017 überzeugt, »dass ein bargeldloses System viele Vorteile bringt«. Damals hätten 64 Prozent der Gäste bar bezahlt. Von da ab sah Wiesner zu, digitales Zahlen »so einfach wie möglich« zu machen, mit Erfolg: Bis ins Jahr 2022 sei der Bargeld-Anteil auf unter 5 Prozent gesunken.

Die gleiche Situation präsentierte sich auch dem deutschen Unternehmen Gravis vor dem Bargeldausstieg. Nach eigener Aussage war die Barzahlung schon zwei Jahre lang »zu vernachlässigen« gewesen; ein »kleiner einstelliger Prozentanteil« zahlte zuletzt noch bar.

Vor Corona hätte es einen Aufschrei gegeben; nun scheint die Wirtschaft das Bargeld abschaffen zu können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen – ein Dammbruch. Gastwirt Jörn Haupt wiegelt ab: Man gebe »in den sozialen Medien deutlich mehr preis als bei einer Kartenzahlung«. Doch was bedeutet es, wenn Unternehmen die Gesellschaft in eine bargeldlose Welt entführen?

Geschäfte ohne Verantwortung

Wo Bargeld seinen Zweck als Zahlungsmittel verliert, da verliert der Bürger die Kontrolle über jenes eine Hilfsmittel, das es ihm ermöglicht, in einer modernen Gesellschaft zu leben und zu überleben. Konten können auf Knopfdruck gesperrt werden, spätestens bei Ausfall der Technik ist der Bürger ausgeliefert [Hervorhebung Blautopf]. Der Whistleblower Edward Snowden nutzte Banknoten auf seiner Flucht.

Was reizt die Wirtschaft eigentlich dazu, Bargeld abzuschaffen? Der Schweizer Unternehmer Manuel Wiesner sagt, seine Gastronomiekette spare nun 50.000 Schweizer Franken ein – pro Monat. Geht man von 30 Öffnungstagen aus, macht das 48 Franken (51 Euro) pro Filiale und Tag. Denn Aufwand bereitet das Besorgen von Wechselgeld, Fahrten auf die Bank und das Abrechnen der Kasse. Diese Aufgaben stehen auf dem Arbeitsplan, unabhängig davon, wie viele Kunden mit Schein und Münze zahlen.

Und was kostet Manuel Wiesner die Kartenzahlung? Dieser Aspekt wird im Interview mit der Zeitung Blick vollkommen ausgeblendet. In jedem Falle kann Bargeld im Vergleich zu Kartenzahlungsgebühren unschlagbar günstig sein, vorausgesetzt die genannten Fixkosten verteilen sich auf viele Barzahler.

Über kurz oder lang dürfte die Finanzbranche aus der Abhängigkeit des Einzelhandels aber Kapital schlagen: »Stellen Sie sich vor, man würde das Bargeld abschaffen«, sagte Kurt Pribil, bis 2019 Direktor der Österreichischen Nationalbank, in einer ORF-Sendung. Ich bin »davon überzeugt, dass dann die Gebühren für Transaktionen, für Überweisungen, für unbare Zahlungsmethoden dramatisch in die Höhe schnellen würden« (1). Auch bei Zahlungen mit dem geplanten digitalen Euro – für Bürger kostenlos – werden Finanzdienstleister bei Ladenbetreibern Gebühren kassieren dürfen.

Gegenbewegung

»Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt«, sagte Reinhard Mey.

Das Bargeld braucht also Menschen, die damit bezahlen, und Menschen, die es in Zahlung nehmen. Die Wirtschaft könnte darauf verpflichtet werden, Banknoten und Münzen zu akzeptieren: In den letzten Jahren führten die amerikanischen Bundesstaaten Delaware (2) und New Jersey eine Annahmepflicht für Bargeld ein. In New York City, Philadelphia und San Francisco (3) gilt inzwischen eine ähnliche Regelung, ebenso in Washington, D.C. Der spanische Einzelhandel muss Bargeld seit dem 28. Mai 2022 zwingend akzeptieren.

In der Schweiz läuft die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative »Ich zahle bar«. Findet das Anliegen bis September 2024 mindestens 100.000 Unterstützer, stimmt das Land darüber ab, ob Supermärkte, Restaurants, Friseursalons und Co. in Zukunft Bargeld akzeptieren müssen.

Unternehmen können den Gebrauch von Scheinen und Münzen auch gezielt fördern. Einige kleinere Unternehmen in Deutschland und der Schweiz gewähren seit jüngstem zwei bis fünf Prozent Rabatt bei Barzahlung. Seither lassen die meisten Kunden ihre Karte im Portemonnaie und geben stattdessen Bargeld.

Hakon von Holst, 09.01.2024

Bargeldabschaffung konkret

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Ergänzende Quellenangaben:
Der Autor hat Quellenangaben und Verweise, soweit es möglich war, direkt als Verlinkungen in seinen Artikel integriert, um eine leichtere Zugänglichkeit von Referenzen und weiterführenden Inhalten zu erzielen. Die nachfolgenden ergänzenden Hinweise sind im Text durch eingeklammerte Ziffern angekündigt worden:
(1) ORF, ZIB-Magazin, 1. März 2016.
(2) Siehe auch https://legis.delaware.gov/BillDetail?LegislationId=79143
(3) Siehe auch https://sf.eater.com/2020/5/12/21255983/san-francisco-sfpd-cash-coronavirus
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