Föderalismus ade

Föderalismus ade Eine Inzidenzberechnung der neuen Art, Bild: Barbara

Die bevorstehende Änderung des Dritten Infektionsschutzgesetzes ist nicht nur eine Verschärfung des Lockdowns und der Unterdrückung der Bevölkerung, sondern auch eine Demontage des Föderalismus. Mit diesem Vorhaben nähert sich Merkel unseligen Vorbildern: Nazistaat und Stalinismus.

Unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung betreibt die Bundesregierung gegenwärtig nicht nur eine Verschärfung des Lockdowns und der Unterdrückung der Bevölkerung. Sie greift grundsätzlich die föderale Struktur der Bundesrepublik an und plant, sie zu beseitigen. Ziel dieses Putsches der Mehrheitsfraktionen unter Führung von Angela Merkel ist die Etablierung eines zentralistisch strukturierten Staates, in dem die bisherigen Bundesländer nur noch die Rolle der ausführenden Organe innehaben sollen. Das bisherige Prinzip der Staatsorganisation, bestehend aus dem Bund und teilsouveränen Gliedstaaten, also den Bundesländern, die ihrerseits eigene staatliche Aufgaben erfüllen, soll gekippt werden.

Ein zentraler Hebel bei der Demontage der im Grundgesetz seit 1948 festgelegten föderalen Staatsorganisation spielt das Infektionsschutzgesetz. Mit der Novellierung dieses eh schon wie ein Ermächtigungsgesetz wirkenden Konstrukts wird mit einem neuen Paragraphen 28b der juristische Weg eröffnet, mit dem der Bund die Länder in nahezu allen wichtigen politischen Feldern dominieren kann. Sie sollen ihren Status als teilsouveräne Gliedstaaten verlieren.

Vordergründig sollen bundeseinheitliche Corona-Maßnahmen gelten, die insbesondere die Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren, Öffnungsverbote für den Einzelhandel, Schulschließungen und Maskenpflicht regeln. Gesetzestechnisch werden damit eine Fülle von Kompetenzen auf die Bundesregierung übertragen werden. Im Kern aber soll der Bundesregierung, die eh schon seit Monaten mit einer grundgesetzlich nicht vorgesehenen Tafelrunde der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten die Verfassung ausgebremst hat, ein zentraler Durchgriff auf das gesamte öffentliche Leben und die Wirtschaft eingeräumt werden.

Damit wird auch Schluss sein mit der Tafelrunde der Landesherren, die sich selbst entmannt haben. In einer seit dem 9. April vorliegenden "Formulierungshilfe der Bundesregierung für die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD" wird das folgendermaßen auf den Punkt gebracht:

"Die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage unterstreicht die gesamtstaatliche Verantwortung der Bundesregierung."

Es ist ein Putsch gegen die Verfassung. Mit der wie auch immer zustande gekommenen Zustimmung der zukünftigen Eunuchen.

Damit einher geht der Abbau der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person, Freizügigkeit und Unverletzlichkeit der Wohnung sowie die Einschränkung der Presse-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Die Bundesregierung wird ermächtigt, zu all diesen Themenbereichen nach Belieben Rechtsverordnungen zu erlassen. Dieses Konstrukt gleicht dem, das in der Endphase der Weimarer Republik, kurz vor der Machtergreifung der Nazis, gefahren wurde. Damals sprach man von „Notverordnungen", die vom Reichspräsidenten ohne Parlament erlassenen wurden. Auch jetzt lässt sich die vom Grundgesetz vorgesehene Begleitung durch den Bundestag aushebeln.

Das bisherige "bundesuneinheitliche Handeln", wie der Föderalismus jetzt diffamierend genannt wird, soll durch ein zentrales staatliches Vorgehen abgelöst werden. Die Kompetenzausweitungen des Bundes beschränken sich beileibe nicht auf "bundeseinheitliche Corona-Regelungen". Die Einschränkungen der demokratischen Grundrechte gelten grundsätzlich und nicht nur im Zusammenhang mit Corona. Dazu passt die vorgegebene Formulierung von der "dynamischen Pandemiesituation", an die man sich immer wieder neu anpassen müsse. Durch die "Verbreitung der Virusvarianten" sei der Gesundheitsschutz grundsätzlich und permanent gefährdet. Eine Theorie für Vollpfosten.

Es handele sich um ein "diffuses Geschehen", so die Begründung weiter, bei dem nur durch ein bundeseinheitliches, staatliches Handeln "die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens als [...] wichtigstes Gemeingut" gesichert werden könne. Dazu gebe es, typisch Merkelsprech, keine Alternative. So kann wie bisher schon - wenn auch nicht bundeseinheitlich - in die Freiheiten der Unternehmen und in das kulturelle und öffentliche Leben der Gesellschaft nach Belieben eingegriffen werden.

Mit dem zweiten Mechanismus des Infektionsschutzgesetzes, dem automatisch greifenden Inzidenzwert von 100, können alle Maßnahmen wohlfeil ausgedehnt, verändert und verlängert werden, ohne dass es Konflikte über länderspezifische oder regionale Abweichungen geben kann. Über eine Variation der Coronatests kann die Bundesregierung bzw. das Robert-Koch-Institut (RKI) in jedem beliebigen Landkreis oder in jeder beliebigen Stadt einen gewünschten Inzidenzwert erzeugen. So lässt sich der Lockdown ad infinitum fortführen, variabel und flexibel, entsprechend der jeweiligen Situation vor Ort. Und es lässt sich das Narrativ von den Wellen des Virus und seinen immer wieder neu erscheinenden Varianten aufrecht erhalten.

Der Lockdown soll faktisch nicht mehr rückholbar sein. Es wird durch das scheinbar clevere Konstrukt sogar zum Steuerungsinstrument, mit dem der politische Widerstand der Bevölkerung ausgebremst werden soll. Kein frontaler und gleichzeitiger Druck auf die Volksmassen, sondern Beweglichkeit, Flexibilität, ein facettenreiches Auf und Ab mit dem Ziel der Spaltung des Widerstandes. Dies lässt sich, aus Sicht der Verfechter einer zentralen Ordnung nur zentral machen. Es ist Voraussetzung für die digitalisierte Kontrolle der Bevölkerung. Hier waren Militärstrategen am Werk, die sehr bewusst den Charakters der Republik verändern, aber auch die Beschränkungen der demokratischen Freiheiten zementieren wollen.

Damit wird genau der Damm eingerissen, den die Alliierten 1948 bewusst zum Schutz des Föderalismus ins Grundgesetz haben reinschreiben lassen. Die Bedenken gegen ein zentralistisch geführtes Deutschland mögen im Ausland stärker sein als hierzulande. Es ist aber Fakt, dass gegenwärtig eine Mehrheit der Bevölkerung diese Banalität des Bösen, wie Hanna Arendt einmal formulierte, nicht sehen wollen. Eine Veränderung bzw. eine Abkehr von der kindlichen politischen Naivität, welche das Land noch prägt, wird erst aus den Erfahrungen erwachsen, die u.a. durch das novellierte Infektionsschutzgesetz entstehen. Das ist keine gute Situation, aber sie ist nicht statisch.

Aktuell lässt sich festhalten, dass viele Menschen, auch aus dem Widerstand, vollständig überrascht sind vom offensiven Vorgehen der Regierung. Immerhin fanden sich am 13. April die ersten Demonstranten in Berlin neben dem Kanzleramt ein, die ihre Stimme gegen den Regierungsbeschluss zur Novellierung erhoben.

Noch ist nicht bekannt, wie die Regierung diese fundamentale Änderung der Staatsorganisation durch das Parlament bringen will. Zu vermuten ist, dass dies im sogenannten beschleunigten Verfahren gemacht wird. Also die drei Lesungen zu einer zusammengezogen werden. Keine Spekulation dürfte es auch sein, dass eine Mehrzahl der Abgeordneten sich über die Bedeutung der Novelle nicht im Klaren ist oder sich nicht dafür interessiert.

Es wird also von Bedeutung sein, dass aus der kleinen Demonstration des 13. April in den kommenden Tagen bzw. der kommende Woche eine große wird. Eine, von der die Bevölkerung Notiz nimmt und darüber nachdenkt.

Es ist eine wichtige Aufgabe für den Widerstand.

 


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