Selenski im Abwind

Selenski im Abwind Amber Clay auf Pixabay

Der „Kriegsheld“ Selenski war diese Tage auf PR-Tour in den wichtigsten westeuropäischen Hauptstädten. Aber trotz gespielt guter Laune lief die Schau nicht mehr so richtig rund.

Kritische Töne in britischen Medien, es knistert im Gebälk der NATO. Was die Westeuropäer nicht daran hindert, ihm weitere Steuergelder in den Arsch zu blasen.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski tourte mehrere Tage durch westeuropäische Hauptstädte. Dort forderte er mehr Waffen, um die vielbeschworene Gegenoffensive gegen die russischen Truppen endlich starten zu können. In Deutschland durfte er sich neben dem Versprechen weiterer deutscher Milliarden den Aachener Karlspreis abholen. Olaf Scholz begründete die „Ehrung“ damit, Selenski habe den Preis für seine Leistungen um die Einheit Europas verdient. Man kann das für einen schlechten Witz oder für blanken Zynismus halten. Auf alle Fälle wurde Selenski von seinen europäischen Gesprächspartnern, Meloni, Scholz, Macron und Sunak mit demonstrativer Herzlichkeit empfangen. Nur den Papst durfte er nicht umarmen.

Hinter den Kulissen wird allerdings eine weniger einheitliche Musik intoniert. In Washington breiten sich Differenzen über die Perspektiven im Ukrainekrieg unter den NeoCons aus. Eine Strömung gewinnt an Einfluss, die einer Auseinandersetzung mit China Priorität einräumen möchte und deshalb das Thema Taiwan in den Vordergrund schiebt. Von den Positionen Donald Trumps, der sagt, er würde als Präsident den Krieg sofort – in 24 Stunden - beenden sowie der Antikriegshaltung Robert Kennedys einmal ganz abgesehen. Die Absetzbewegungen vom Ukrainekrieg – Afghanistan lässt grüßen – ängstigt die europäischen Vasallen, die neben ihren Milliarden auch ihre jeweilige politische Karriere an diesen Krieg gebunden haben. Welch ein Wunder, wenn sie sich an Selenski klammern, wie er sich an sie.

In den Systemmedien wird die gleichgeschaltete Kriegspropaganda erstmals durchbrochen. Interessant sind nun Artikel, die kurz vor Selenskis London-Besuch in zwei britischen Blättern erschienen sind. The Spectator und der Daily Telegraph schreiben, dass die Eskalationsversuche des Westens gegenüber Russland gescheitert seien. Es mag ungewohnt klingen, wenn die britische Regierung die Ukraine aktuell mit Marschflugkörpern und mit Uran angereicherter Munition beliefert – und dies medial groß feiert, während erste Medien schreiben, dass die Dinge nicht gut laufen. Das ist keine Kriegspropaganda mehr. Bemerkenswert ist dies, weil The Spectator und der Daily Telegraph der Konservativen Partei und der konservativen Regierung politisch sehr nahe stehen. Boris Johnson war vor dem Einstieg in seine politische Kariere einer der Herausgeber des Spectator. Auch im Daily Telegraph hatte er als Kolumnist geschrieben.

Beide Artikel klingen verbittert. Der Spectator sagt, der Wirtschaftskrieg gegen Russland sei gescheitert. Die zweigleisige Strategie, einerseits die militärische Unterstützung für die Ukraine und andererseits die Zerstörung der Wirtschaft Russlands mit dem Ziel des Regime Change, sei völlig misslungen. Im Februar letzten Jahres, als die Sanktionen gegen die russische Zentralbank angekündigt worden waren, sprach die angelsächische Presse großspurig vom "financial shock and awe", also von Angst und Schrecken in der russischen Wirtschaft. Ein Ausdruck der Militärs, der einstmals im Golfkrieg geprägt wurde. Jetzt taucht er wieder auf, allerdings mit umgekehrter Bedeutung. Der Spectator sagt, dass die europäischen Volkswirtschaften durch den Wirtschaftskrieg schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden, Russland dagegen nicht. Es konnte seinen Handel erfolgreich neu ausrichten. Angst und Schrecken nun im Königreich.

Diese Eingeständnisse klingen nicht nur bitter, sondern auch wütend. Sie suchen im gleichen Atemzug nach Schuldigen. Sie beschuldigen in erster Linie die Chinesen, sie beschuldigen aber auch andere Länder, vor allem die BRICS-Staaten und solche, die sich diesem Bündnis annähern oder gar beitreten wollen. So wird Kasachstan kritisiert, natürlich die Türkei und Indien. Über Südafrika wurde kolportiert, es hätte Waffen an Russland geliefert. Diese Angriffe werden von den Amerikanern in die Welt gesetzt und weltweit verbreitet. Interessant ist daher nicht nur die Tatsache, dass die Biden-Administration diese Behauptung wieder zurück ziehen musste, sondern dass es erste Stimmen gibt, die akzeptieren, dass die Sanktionswaffe versagt hat. Aber vorsichtshalber sagt das nicht Washington.

Hatte der Westen gedacht, er könne wie bisher noch vor dem Einsatz seiner Streitkräfte Konflikte und Kriege mit wirtschaftlichem Druck für sich entscheiden, muss er dies als großen Irrtum anerkennen. Die Zeit der Sanktionspolitik der anglo-amerikanischen Welt ist vorbei, sie ist jetzt nicht mehr wirksam. Es wird nicht mehr lange dauern, bis der Begriff des Shock and Awe im globalen Westen als Bedrohung für die eigene Unfehlbarkeit wahrgenommen wird. Und dass dies nicht nur auf die wirtschaftliche Seite beschränkt ist, sondern auch für den militärischen Bereich gilt. Damit soll nicht die Erwartung geschürt werden, die Kriegshetze der Systemmedien werde eingestellt. 

Solche „kritischen“ Artikel sind aber Anzeichen dafür, dass Veränderungen in der Luft liegen. Neue Kriegsziele zur „Verteidigung“ der westlichen Vormachtstellung, der sogenannten regelbasierten Ordnung, werden hinter den Kulissen entwickelt, bevor sie in den Medien verkündet werden. Dass dies abrupt geschehen kann, zeigte der Abgang der NATO aus Afghanistan, den die Amerikaner vorab natürlich nicht mit ihren Vasallen diskutiert hatten. Aber sie dürften damals schon gewusst haben, warum sie so handelten. So gesehen ist die medial groß aufgemachte Verbundenheit der europäischen Vasallen mit Selenski nur der hilflose Versuch, auf sich aufmerksam zu machen. Das wird den Hegemon USA wenig beeindrucken. Und Figuren wie Selenski könnten schnell in der Mottenkiste der Geschichte verschwinden.

Verweis:
The Spectator, Why the ecconomic war against Russia has failed

 


Gelesen 532 mal