Offener Brief zum Aufruf des DGB zur 1. Mai-Kundgebung 2024

Offener Brief zum Aufruf des DGB zur 1. Mai-Kundgebung 2024 Bild von Peggychoucair auf Pixabay

"Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit". Mit diesen Schlagworten ruft dieses Jahr der DGB zu 1.Mai-Kundgebungen auf. Wer glaubt, dass der Ruf nach "mehr Sicherheit" irgendetwas mit dem Wunsch nach Frieden ohne Waffen o.ä. zu tun hat, irrt gewaltig.

Dieses Thema und andere hoch aktuelle Probleme scheinen den DGB nicht zu interessieren und zurecht empört sich die friedensbewegte Gewerkschafterin Ursula Mathern darüber in einem offenen Brief an den DGB-Vorstand.

An
DGB-Vorsitzende
Frau Yasmin Fahimi / Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Stellvertretende Vorsitzende
Frau Elke Hannack / Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Herrn Stefan Körzell / Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Frau Anja Piel / Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Offener Brief zum Aufruf zur 1. Mai-Kundgebung 2024

Sehr geehrte Frau Fahimi, sehr geehrte Frau Hannack, sehr geehrter Herr Körzell, sehr geehrte Frau Piel,

als Gewerkschaftsmitglied wie auch für Frieden engagierter Mensch empört es mich außerordentlich, dass im DGB-Aufruf zum 1. Mai 2024 das Themenbereich Krieg und Aufrüstung mit keiner Silbe erwähnt wird. Das Wort Frieden taucht zwar ganz zum Schluss auf, aber völlig unvermittelt.

Sie tun so als würden der nun seit mehr als zwei Jahren dauernde Krieg in der Ukraine wie auch der seit sechs Monaten laufende Krieg in Palästina uns überhaupt nicht betreffen. Weder als Bürger noch als Gewerkschafter. Diese Ignoranz ist mir unbegreiflich! Sehen Sie denn nicht das Leid und die Zerstörungen, die damit verbunden sind? Ist Ihnen klar, dass neben den Verlusten an Menschenleben und der Zerstörung von Infrastruktur in der Ukraine bereits ein Drittel des fruchtbaren Schwarzerdebodens vergiftet ist, mit verheerenden Folgen für die Welternährung. (s. Der viel gepriesene "Kornkorb"-Boden der Ukraine ist jetzt giftig)

Und Gaza? Mehr als 32.000 Menschen sind bereits zu Tode gekommen, 70 Prozent davon Frauen und Kinder. Auch mit deutschen Waffen, die ja immer weiter geliefert werden. Sind die Bilder dieser verzweifelten Menschen, denen jetzt auch noch der Hungertod droht, denn nie bis zu Ihnen durch gedrungen?

Allein das wäre an sich für jeden vernünftigen Menschen, dem das Mitgefühl noch nicht völlig abhanden gekommen ist, Grund genug, sofort auf die Straße zu stürmen. Aber in diesem Propaganda verseuchten Land scheinen vernünftig denkende Menschen ziemlich rar. Übrigens findet am 08.04.2024 die Anhörung Nicaraguas vor dem Internationalen Gerichtshof statt. Nicaragua wirft Deutschland Begünstigung von Völkermord vor.

Davon abgesehen sollten für Sie als Gewerkschaftsvorstände wirtschaftliche Zusammenhänge kein völlig unbekannter Erdteil sein.

Mehr als zwei Jahre ist es nun her, dass der Bundeskanzler das 100-Milliarden-Euro „Sondervermögen“ für die Bundeswehr ankündigte. Immer höhere Beträge werden in die Rüstung investiert. Dabei ist jedem, der bis drei zählen kann, klar, dass das, was in Rüstung investiert wird, an vielen anderen Stellen fehlt.

Hinzu kommt die Aufkündigung der Energieverträge mit Russland. Preiswerte Energie, das war die Basis für den Wohlstand des Landes!

Nicht zu vergessen: Bis dato ist immer noch nicht aufgeklärt, wer für die Zerstörung der Nordstream-Pipelines verantwortlich zeichnet. Der Kanzler scheint nicht sonderlich an der Frage interessiert.

Steigende Preise haben seitdem viele Menschen unter Druck und in Not gebracht. Kein Thema für Sie?

Die hohen Energiepreise sorgen zudem dafür, dass Betriebe hierzulande nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren können. Manche sind bereits abgewandert, zumal die USA mit günstigen Konditionen locken, um die Deindustrialisierung dort möglichst wieder rückgängig zu machen. Andere haben ihren Hauptstandort nach China verlagert, weil sie dort bessere Bedingungen für sich vorfinden.

Die geopolitischen und wirtschaftlichen Gewichte verschieben sich. Und dieser Prozess ist unumkehrbar. Dagegen helfen auch noch soviel Aufrüstung und Kriege nicht mehr, womit der „Wertewesten“ sich gegen den Verlust der eigenen Vormachtposition zu stemmen versucht, die ihm bisher erlaubte, die Spielregeln zu diktieren. Damit ist Schluss.

Deutschland, das sich in Nibelungentreue dem transatlantischen Bündnis verschrieben hat, wird es besonders hart treffen. Ohne nennenswerte eigene Ressourcen samt hohen Energiepreisen wird das bisherige wirtschaftliche Erfolgsmodell nicht mehr funktionieren. Oder wie stellen Sie sich das vor?

Daran ändert sich doch nichts, selbst wenn die Schuldenbremse reformiert würde. Es würden weiter Schulden auf Schulden aufgetürmt. Wofür? Für weitere Rüstung? Auch die EU will massiv aufrüsten. Charles Michel plädiert sehr dafür, ist das doch eine der wenigen Branchen, die noch Profite verspricht.

Tolle Aussichten! Kommt die Kapital gedeckte Rente, was meinen Sie, in welche Werte die angesparten Beiträge der ArbeitnehmerInnen investiert werden?

Sehr geehrte Frau Fahimi, sehr geehrte Frau Hannack, sehr geehrter Herr Körzell, sehr geehrte Frau Piel, es ist für mich unvorstellbar, dass Sie das alles nicht zur Kenntnis nehmen sollten.

Diskussionsbedarf gäbe es wahrlich mehr als genug. Als Gewerkschaftsvorständen gehört es m. E. zu Ihrer Verantwortung, solche Debatten zu fördern – statt wie die Polit- und Medienapparate die Realität zu verschleiern - und gemeinsam nach möglichen Auswegen aus der miserablen wie auch hochgefährlichen Lage zu suchen. Ich finde, das sind Sie den Gewerkschaftsmitgliedern schuldig.

UNVERZICHTBAR IST AUF JEDEN FALL: DIE KRIEGE MÜSSEN SCHNELLSTENS BEENDET WERDEN! ABRÜSTUNG IST DAS GEBOT DER STUNDE!

Nur so kommen wir der ja auch von Ihnen angestrebten Klimaneutralität näher. Denn Krieg und Aufrüstung sind die Klimakiller Nr. 1.

Sie tun dem DGB meiner Meinung nach keinen Gefallen damit, wenn Sie das Thema Krieg und Frieden am 1. Mai 2024 ausklammern. Im Gegenteil. Sie fördern damit den Bedeutungsverlust der Gewerkschaften.

Mit freundlichem Gruß
Ursula Mathern

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A.d.R.: Erfreulicherweise gibt es sie auch die Gewerkschaftsmitglieder, die nicht weg schauen, gut informiert sind und menschlich ticken. Sie haben diese Petition gestartet, die alle unterschreiben können:

Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg! Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit!

 


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