Gericht entscheidet gegen die Auslieferung von Assange

Gericht entscheidet gegen die Auslieferung von Assange Cancillería del Ecuador, CC BY-SA 2.0 , via Wikimedia Commons

Heute, am 4. Januar, fiel in London das Urteil: Julian Assange darf aus gesundheitlichen Gründen nicht an die USA ausgeliefert werden.

Allerdings bleibt die Freude verhalten, gab Baraitser doch der Anklage in fast allen Argumenten Recht. Und diese wird Berufung einlegen.

Während Donald Trump Kriegsverbrecher begnadigt und sich über die Unfreiheit der Presse beschwert, verfolgen die USA weiterhin den Jounalisten Julian Assange, Gründer der Whistleblowing-Plattform Wikileaks.

Auf der Plattform Defend-Wikileaks findet sich eine Zusammenfassung des Urteils in englischer Sprache. Hier die deutsche Übersetzung:

"In einer Entscheidung, in der sie fast alle Argumente der US-Regierung akzeptierte, stimmte die Richterin Vanessa Baraitser dem Argument der Verteidigung zu, dass die US-Gefängnisbedingungen, denen Assange im Falle einer Auslieferung ausgesetzt wäre -- einschließlich Einzelhaft, Sondermaßnahmen und extremer Einschränkungen im ADX Florence -- Assange in den Selbstmord treiben würden. Sie entschied, dass es daher Unrecht wäre, Assange an die USA auszuliefern und ordnete seine Freilassung an.

Die USA wird diese Entscheidung anfechten.

Richterin Baraitser fasste ihre übermäßig lange Urteilsbegründung und die zu beurteilenden Argumente zusammen. Sie war bei praktisch jedem Schritt auf der Seite der Staatsanwaltschaft und hielt die gefährlichen Argumente aufrecht, die den Schutz der freien Presse durch das First Amendment (erster Verfassungszusatz) aushebeln. Die Richterin entschied:

  • Das britische Auslieferungsgesetz solle Vorrang vor dem Auslieferungsvertrag zwischen den USA und Großbritannien haben. Ersteres entferne die Klausel, die eine Auslieferung aufgrund politischer Straftaten verbiete.
  • Die Anklagen gegen Assange in den USA würden als Straftaten in den USA gelten.
  • Assanges Verhalten "ginge über das eines Journalisten hinaus", indem er zustimmte Chelsea Manning beim Knacken eines Passworts zu helfen und indem er ihr sagte "neugierige Augen würden niemals trocken werden", und sie damit ermutigte, weitere Dateien zu leaken.
  • Die Freigabe der unredigierten Dokumente sei "rücksichtslos" gewesen.
  • Die Argumente der Verteidigung über Assanges politische Ansichten seien "irrelevant".
  • Es gäbe keine ausreichenden Beweise dafür, dass die Anklage von der Trump-Administration "unter Druck gesetzt" sei. Stattdessen habe es eine gesunde interne Debatte gegeben.
  • Auch wenn die Geheimdienste WikiLeaks scharf kritisiert haben, muss die Administration nicht gleich darüber denken.
  • Es ist nicht die Aufgabe des britischen Gerichts, die Spionage von UC Global gegen Assange in der ecuadorianischen Botschaft zu beurteilen, da es keinen Zugang zu den spanischen Gerichtsdokumenten hat.
  • Assanges zu erwartende Jury im Eastern District of Virginia kommt aus einem großen Bundesstaat. Es kann nicht bewiesen werden, dass es sich nur um Ex-Beamte der National Security und des Militärs handeln wird.
  • Die Anfechtung einer "Überbreite" (Overbroadness) und "Unschärfe" (Vagueness) der US-Anklage sollen vor einem US-Gericht erfolgen und nicht hier entschieden werden. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Assange in den USA keine verfassungsmäßigen Rechte hätte, wenn er dort verurteilt würde: "Dieses Gericht vertraut darauf, dass ein US-Gericht das verfassungsmäßige Recht von Herrn Assange auf freie Meinungsäußerung angemessen berücksichtigen wird".
  • Zur Frage, ob eine Auslieferung grausam wäre: Ich akzeptiere Prof. Kopelmans Meinung, dass Herr Assange an einer rezidivierenden depressiven Störung leidet, dass Assange Selbstmordgedanken hat, und dass er "zielstrebig" versuchen würde, sein Leben zu beenden.
  • Mögliche Bedingungen in einem US-Gefängnis: Die CIA betrachtet Assange als einen Feind und immer noch als ein Sicherheitsrisiko; Assange wird wahrscheinlich in das Gefängnis ADX Florence geschickt und würde dort in härtester Isolation gefangen gehalten.
  • Spezielle Maßnahmen würden angewandt, um Kommunikationsmöglichkeiten zu minimieren. Die Gefangenen sind extrem eingeschränkt. Von allen Experten wurden solche Bedingungen als sehr schädlich für die psychische Gesundheit von Assange bewertet.
  • Herr Assange hat die Intelligenz und die Entschlossenheit, seine Selbstmordgedanken umzusetzten.
  • Daher entscheide ich, dass es Unrecht wäre, Herrn Assange auszuliefern. Die USA haben das Recht, in Berufung zu gehen.

Die Richterin hat entschieden, Assange solle entlassen werden. Die US-Regierung bittet, ihn in Haft zu behalten solange die Berufung läuft. Die Verteidigung fordert seine sofortige Freilassung. Die beiden Parteien haben einen Schnitt gemacht, um ihre Positionen in dieser Angelegenheit zu diskutieren. Dieser Beitrag wird aktualisiert, sobald das Gericht über diese Frage entscheidet.

Der Anwalt der Verteidigung, Ed Fitzgerald, sagte, das Urteil, Assange solle entlassen werden, sei der stärkste Grund für die Gewährung einer Freilassung auf Kaution. Dennoch werde die Verteidigung alle ihre Argumente vorbringen, einschließlich der schädlichen Bedingungen im Belmarsh-Gefängnis. Daher brauche die Verteidigung Zeit, den formalen Kautionsantrag zu stellen. Das Gericht vertagte sich auf Mittwoch 10.00 Uhr GMT für den vollständigen Kautionsantrag. Assange wird auch physisch erscheinen und bis dahin in Belmarsh verbleiben."

Update vom 7.01.2021

Die Richterin verweigert die Entlassung Assange gegen Kaution.
Mehr dazu in dem Artikel von Moritz Müller auf den NachDenkSeiten und auf Defend Wikileaks.

 

Quellen und Verweise:
Defend-Wikileaks
NachDenkSeiten


Gelesen 1364 mal