Bundestagswahl 2025: Wie demokratisch ist Deutschland eigentlich?

Bundestagswahl 2025: Wie demokratisch ist Deutschland eigentlich? Bild von kp yamu Jayanath auf Pixabay

Die Bundestagswahl 2025 ist vorbei.

Ein guter Zeitpunkt, einmal genauer zu betrachten, wie demokratisch unser Wahlsystem tatsächlich ist.

"Sein politisches Ideal war die vollkommene Demokratie, er verwarf die parlamentarische Demokratie, die das Volk einmal an die Urne führt, um es dann für Jahre auszuschalten." (Ernst Toller über Kurt Eisner [1])

Bundestagswahlen dürften wohl als die wichtigsten Wahlen in Deutschland gelten. Und bei gerade diesen Wahlen stellt die 5%-Hürde, auch Sperrklausel genannt,  eine besondere Herausforderung für die Parteien und Wähler dar, denn nur Parteien, die mindestens 5% der abgegebenen Zweitstimmen erhalten haben, dürfen überhaupt in den Bundestag einziehen.

Als Grund für dieses undemokratische Quorum werden in der Regel die Erfahrungen der Weimarer Republik mit ihrem Vielparteien-Parlament angeführt. Die Sperrklausel helfe, eine Zersplitterung des Bundestages in zu viele Einzelparteien und damit einen Verlust an politischer Stabilität zu verhindern. Zunächst galt diese übrigens für jedes Bundesland einzeln, wurde aber schon 1953 verschärft und auf das gesamte Bundesgebiet bezogen.

Es lässt sich allerdings nicht belegen, dass eine Sperrklausel historisch viel geändert hätte [2] und auch andere Länder funktionieren ohne dieses undemokratische Element ganz gut, so z.B. Frankreich mit seinem äußerst lebendigen und schwer zu durchschauenden System aus Kleinparteien und Gruppierungen.

CDU+CSU 28,6%
AfD 20,8 %
SPD 16,4 %
GRÜNE 11,6 %
Die Linke 8,8 %
SSW 0,2 %
Sonstige 13,7%
Ergebnis der Bundestagswahl 2025 [3]

Gerade die vergangene Bundestagswahl demonstriert deutlich, wie undemoktratisch dieses Element ist, wie die Tabelle mit den Wahlergebnissen zeigt. Denn werden die Ergebnisse von BSW (4,97%) und FDP (4,3%), die ebenfalls nicht in den Bundestag einziehen dürfen, zu den "sonstigen Stimmen" dazugezählt, so werden insgesamt 13,7% der abgegebenen Stimmen keinen Einfluss auf die Parlamentsbildung haben.

Auch wenn der Anteil der nicht gewerteten Stimmen bei den vorhergegangenen Wahlen deutlich unter 10% lag (mit Ausnahme der Bundestagswahl 2013, wo der Anteil der "Sonstigen" mit 15,69% sogar noch höher ausfiel), schwächt dies nicht die grundsätzlichen Überlegungen zum demokratischen Grundprinzip, da die deutsche Demokratie schon vom prinzipiellen Aufbau her sehr schwach ist: Sie räumt den Bürgen lediglich die Möglichkeit ein, Parteien zu legitimieren, in den entsprechenden Parlamenten mitzuarbeiten. Die Bürger haben aber weder Einfluss auf die Wahl des Bundeskanzlers bzw. der Minister, noch können sie über Methoden der direkten Demokratie die während der folgenden Legislaturperiode getroffenen Entscheidungen beeinflussen. Entsprechend stark sollte daher die Einflussmöglichkeit bei den (Bundestags-)Wahlen ausgelegt sein.

Bei dieser Wahl aber wurde über die 5%-Klausel nun mehr als jedem siebten Bürger seine Stimme praktisch weggenommen, er wurde demokratisch also entrechtet. Darüberhinaus wird auch noch die Anzahl der Sitze, über die diese Wähler eigentlich hätten bestimmen sollen, unter den Parteien aufgeteilt, die diese Wähler nicht gewählt haben. In diesem Falle immerhin 86 von 630 Sitzen.

Interessanterweise hat das Bundesverfassungsgericht die 5%-Hürde bei den Bundestagswahlen bisher bestätigt, obwohl es bei der Frage der Sperrklausel für EU-Wahlen diese im Hinblick auf die Chancengleichheit der Parteien ablehnt.

Obwohl sicherlich eine gewisse Stabilität bei der Politik eines Landes wünschenswert ist, stellt die 5%-Klausel vor allem einen deutlichen Eingriff in die Wahlfreiheit der Bürger und in die Chancengleichheit der Parteien dar. Durch die 5%-Klausel (insbesondere in Kombination mit dem System der staatlichen Parteienfinanzierung) wird ein exklusiver Hoheitsraum für die etablierten Parteien geschaffen.

Die Wähler werden dadurch immer wieder zu den etablierten Parteien zurückgeführt, da bei kleineren oder neueren Parteien stets die Befürchtung da ist, die Stimme könnte verschenkt sein. Auf diese Weise wird die Möglichkeit einer größeren Änderung im politischen Geschehen in Deutschland deutlich limitiert, man könnte auch sagen, die Politik wird praktisch zementiert.

"Zum Einen sind da die Wähler, die ihr Leben lang die Blockparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne gewählt haben, die die Bundesrepublik Deutschland in immer neuer Zusammensetzung seit dem Krieg regieren. Das hat zwar zu vielen Regierungswechseln, aber nie zu einer echten Änderung der Politik geführt. [...] Wenn diese Wähler der Mainstream-Parteien mit einer Regierung unzufrieden sind, wählen sie eben eine andere der Blockparteien, obwohl sich an der Politik danach praktisch nichts ändert. " [4]

Abgesehen davon, dass Demokratie gerade so nicht funktionieren sollte, eröffnet dieses System auch die Möglichkeit einer Wahlmanipulation. Wenn nämlich Medien darüber berichten, dass eine Partei es wahrscheinlich nicht in das Parlament schafft, verliert es dadurch die Stimmen der verunsicherten Leser. (vgl. [5]) Auch so sollte Demokratie eigentlich nicht funktioneren.

Es ist zwar nicht Thema dieses Artikels, aber aus aktuellem Anlass soll dennoch darauf hingewiesen werden, dass die AfD immerhin 20,8% der Stimmen bekommen hat. Ob man diese Partei nun mag oder nicht und ob die Wähler jetzt aus Protest gewählt haben oder nicht – diese Partei durch eine sogenannte "Brandmauer" von der politischen Zusammenarbeit auszuschließen, ist ebenfalls alles andere als demokratisch.

Natürlich hat es immer wieder Kritik an der 5%-Hürde gegeben und es gibt auch Vorschläge, z.B. eine Art Ersatzstimme einzuführen, die dann gezählt wird, wenn die Partei der Zweitstimme an der Sperrklausel scheitert [2]. Doch da es gerade die Parteien in der Hand haben, das Wahlsystem in dieser Beziehung zu reformieren, die am meisten von der Sperrklausel profitieren, ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass sich hier in naher Zukunft viel ändern und Deutschland demokratischer wird.

(Die Wahlbeteiligung habe ich an dieser Stelle nicht miteinbezogen, da es jedem frei steht zur Wahl zu gehen und Nicht-Wählen damit einer Enthaltung gleichkommt. Auch die ungültigen Stimmen, ob absichtlich oder nicht, bin ich hier nicht eingegangen, da diese mit weniger als einem Prozent gering ausfallen.)

Quellen und Verweise:
[1] Ernst Toller • Eine Jugend in Deutschland
[2] Kontext-Wochenzeitung • Fünf-Prozent-Falle
[3] Der Bundeswahlleiter • Vorläufiges Ergebnis der Bundestagswahl 2025
[4] Anti-Spiegel • Eigentlich schade, dass Sahra nix verstanden hat…

[5] NDS •  Ein Vorschlag gegen die Manipulation mit Umfragen: Wir verlangen eine eidesstattliche Erklärung des Umfrageinstituts
[6] Wikipedia • Fünf-Prozent-Hürde in Deutschland
[7] NDS •
Am Volk vorbei

 


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