Keine Friedhofsruhe unter Journalisten

Freie Journalisten und Pressebüros mit Berliner Querdenkern auf einem Medienmarsch durch die Hauptstadt.

Am Mittwoch, dem 2. Dezember 2020 fand erstmalig eine eigenständige Demonstration von Mitgliedern Berliner Pressebüros und freier Journalisten statt. Sie hatten sich mit den Berliner Querdenkern 30 zusammengeschlossen und ihre Aktion als Medienmarsch entwickelt, der die acht wichtigsten Medienstandorte in der Hauptstadt aufsuchte. Der Marsch begann am ZDF-Hauptstadtstudio und stattete auf seiner Route der Funke-Zentralredaktion, dem Berliner Verlag und dem Axel-Springer-Haus einen Besuch ab. Weiter ging es zur TAZ in ihrem neuen Superpalast, zu Tagesspiegel, Focus und dem ARD-Hauptstadtstudio und schließlich zum Spiegel. Die Teilnehmerzahl entsprach dem, was angemeldet worden war, rund 200 Medienschaffende waren gekommen. An jeder Station wurden kleine Kundgebungen abgehalten, die speziell auf die Situation der einzelnen Medienhäuser zugeschnitten waren.

TAZ-Tower: Plötzlich war der Balkon leer
Bild: Scienzz

Die Beiträge waren jeweils von unterschiedlichen Kolleginnen und Kollegen geschrieben worden und wurden von ihnen auch persönlich vorgetragen. Daraus entstand ein interessanter Einblick in das, was freie Journalisten jenseits dessen, was die Medienhäuser und Verlage von ihnen verlangen und schreiben lassen, wirklich denken. Eine faire und den Tatsachen entsprechende Berichterstattung wird von diesen weder praktiziert noch zugelassen, so die Kritik. Es herrsche dumpfe und öde Hofberichterstattung. Diese Statements wurden in den Medienhäusern auch übergeben. Ob sie gelesen wurden, ist unbekannt. Wie sehr die Kritik jedoch berechtigt ist, zeigen die Reaktionen in Form von kurzen Meldungen und Twitter-Beiträgen.

Natürlich wurde sofort wieder von Corona-Schwurblern, Rechten, Nazis und Reichsbürgern gefaselt. Das war langweilig, verlogen und nicht anders zu erwarten. Offenbar verfasst von 150-Prozentigen. Manchmal aber auch ungewollt komisch, wenn etwa die Frankfurter Rundschau diesen "Querdenker-Marsch" zum Flopp erklärte, weil er keine großen Massen von Protestieren angezogen habe. Wahrscheinlich ging die Autorin davon aus, dass halb Berlin aus freien Journalisten bestünde. Und der Deutsche Journalisten-Verband DJV ordnete die Demo gar als "Versuch ein, die Presse einzuschüchtern". Echt niedlich, um mit Telly Savalas alias Kojak zu sprechen. Nicht jeder beachtet eben bei dem Versuch, eine hämische Polemik zu schreiben, auf Fakten und Grundrechenarten.

Was von den involvierten Kolleginnen und Kollegen, die darüber schreiben mussten oder auch "durften", nicht berichtet wurde, waren die kleinen Erscheinungen und Erlebnissse am Rande. Der kleinen Demo der kleinen Berufsgruppe wurde mit Sympathie begegnet. Aus Fenstern, von Balkonen und von Baugerüsten gab es sehr viel Zustimmung, ein Stimmungsbild das ganz und gar nicht dem entspricht, wie es die organisierte öffentliche Meinung aus den Verlags- und Medienhäusern suggeriert. Oder die Situation bei der TAZ. Hatte anfangs rund ein Duzend TAZler auf dem Laubengang vor ihren Redaktionsräumen gestanden und zugehört, waren sie urplötzlich verschwunden. Ein kollektiver Geistesblitz oder per Ordre du Mufti? Auch kleine Demonstrationen haben sehr wohl einen Platz im Widerstand und können erfolgreich sein.

Friedliche bunte Bilder von der Demo auf IMAGO

 


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